Die Waldlupe

In diesem sehr dunklen Unterholz fehlt meinem Baum sonniges Licht, sodass er schwächer wird. Licht ist für sein Wachstum unverzichtbar. Ich habe alles getan, um ihn zu unterstützen, indem ich ihn mit Wasser und Mineralstoffen versorgt habe, aber ein Parasit hat es geschafft, sich unter seine Rinde zu schleichen. Da er am Rand einer Abfahrt aus dem abgeholzten Wald steht, wurde sein Stamm möglicherweise durch einen zu nah vorbeifahrenden Traktor beschädigt, wodurch Bakterien oder Parasiten leichter in die Wunde eindringen konnten.
Aber mein Begleiter gibt nicht auf: Er hat sich geschützt, indem er an der Stelle der Verletzung mehr Holz gebildet hat, um die Infektion einzudämmen. Diese Auswüchse werden „Lupen“ genannt. Wenn der Baum eines Tages gefällt wird, können Tischler diese seltene und dichte Holzmaserung mit ihren abstrakten Mustern beispielsweise in Form einer Schale zur Geltung bringen.
Aber noch mehr...
Die Maserknolle eines Baumes ist eine Auswucherung, die am Stamm oder an den Ästen zu finden ist und sich infolge einer Belastung bildet. Es handelt sich um einen Abwehrmechanismus. Diese Belastung kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, beispielsweise durch Infektionen durch Insekten oder Pilze, Verletzungen der Rinde oder das Wachstum von Misteln.
Diese „Missbildung” der Bäume ist bei Tischlern, Handwerkern, Drechslern und Sammlern sehr beliebt. Im Gegensatz zum linearen Wachstum des Holzes wächst eine Maserung asymmetrisch und klumpig und bildet so reichhaltige abstrakte und farbenfrohe Muster. Das macht sie zu einem sehr attraktiven Unikat. Ausserdem ist das Holz der Maserung dicht und widerstandsfähig.
Auch hier spielen Mykorrhizen eine wichtige Rolle, indem sie den Bäumen helfen, mit Umweltbelastungen fertig zu werden.
Je nach vorhandenem Krankheitserreger reagieren Bäume auf vielfältige Weise. Die Weisstanne beispielsweise bildet „Hexenbesen“ in Form von kleinen, an einem Hauptast verankerten Zweigbüscheln. Diese können sich zu Krebsgeschwüren entwickeln, die eine Schwellung um den Hauptstamm herum bilden und die statische Festigkeit des Baumes bei Stürmen schwächen. An dieser Stelle kommt es häufig zu Stammbrüchen.